Plattfische wie Scholle, Flunder und Kliesche stellen nicht nur einen wichtigen Bestandteil der
marinen Fauna von Nord- und Ostsee dar, sondern sind auch von großer Bedeutung für die
Angelfischerei. Mit der vorliegenden Studie möchten wir einen Beitrag zur nachhaltigen Nutzung
der Plattfischbestände leisten, indem wir erstmals die Überlebensraten von Schollen, Flundern und
Klieschen nach dem Zurücksetzen untersuchen und praxisorientierte Handlungsempfehlungen zur
Verringerung der Sterblichkeit sowie zur Verbesserung des Fischwohls nach dem Zurücksetzen für
die Angelfischerei entwickeln.

Zusammenfassung
Plattfische wie Scholle (Pleuronectes platessa), Flunder (Platichthys flesus) und Kliesche (Limanda
limanda) zählen zu den wichtigsten Zielfischarten der Angelfischerei in der Nord- und Ostsee. In
der Ostsee werden jährlich erhebliche Mengen Plattfische durch die Angelfischerei gefangen,
wobei rund ein Viertel der gefangenen Fische zurückgesetzt wird. Trotz dieser hohen Rücksetzraten
fehlten bisher Studien über die Überlebensraten von zurückgesetzten Plattfischen und mögliche
nicht-letale Auswirkungen des Zurücksetzens. Diese Wissenslücke erschwerte sowohl eine genaue
Einschätzung der durch die Angelfischerei verursachten fischereilichen Sterblichkeit als auch die
Entwicklung eines nachhaltigen Fischereimanagements.
Ziel der vorliegenden Studie war es, das Selektionsverhalten und die Fangcharakteristika
verschiedener Hakengrößen bzw. -typen zu untersuchen, die Überlebensraten von
zurückgesetzten Plattfischen zu ermitteln sowie Faktoren zu identifizieren, die die
Rücksetzsterblichkeit beeinflussen. Darüber hinaus sollten spezifische Empfehlungen für Angler
und Bewirtschafter entwickelt werden, um die Rücksetzsterblichkeit zu verringern und das
Fischwohl in der Plattfischangelfischerei zu verbessern.
Im Rahmen einer Citizen-Science-Studie beteiligten sich 195 freiwillige Angler an einer
sechsmonatigen Angeltagebuchstudie und angelten mit standardisierten Vorfächern, um das
Selektionsverhalten und die Fangcharakteristika von kleinen (Hakengröße 2) und großen
(Hakengröße 2/0) Haken in der Plattfischangelfischerei unter realistischen Bedingungen zu
untersuchen. Sie dokumentierten 623 Angeltage mit einem Gesamtfang von 1.763 Schollen, 883
Klieschen und 1.370 Flundern. Zusätzlich wurde ein Feldexperiment in der westlichen Ostsee mit
freiwilligen Anglern auf einem Angelkutter von März bis August 2023 durchgeführt. Auf dem
Angelkutter wurde mit denselben standardisierten Vorfächern mit kleinen (Hakengröße 2), großen
(Hakengröße 2/0) und einem neu entwickelten Haken mit Schluckbarriere (Hakengröße 2)
geangelt. Für die Untersuchung der Überlebensraten nach dem Zurücksetzen wurden in sechs
Versuchsdurchgängen insgesamt 1.474 Schollen, 378 Klieschen und 49 Flundern in ein 6- bis 7-
tägiges Hälterungsexperiment einbezogen.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass weder die Hakengröße noch der Hakentyp signifikante
Auswirkungen auf die Einheitsfänge (Anzahl Plattfische pro Angler und Angeltag) hatten. Mit
größeren Haken wurden jedoch signifikant größere Plattfische gefangen, wenngleich die
Unterschiede in der Praxis gering blieben. Größere Haken und insbesondere die Haken mit
Schluckbarriere führten zu einer signifikanten Verringerung des Anteils von Fischen mit tief
geschluckten Haken. Das Feldexperiment ergab, dass die Rücksetzsterblichkeit von Plattfischen mit
6,9 % insgesamt gering war, wobei Flundern die niedrigste Sterblichkeitsrate (4,1 %) aufwiesen,
gefolgt von Schollen (6,6 %) und Klieschen (8,7 %). Faktoren wie das tiefe Verschlucken des Hakens,
eine lange Luftexposition, die Verwendung kleiner Haken und hohe Wassertemperaturen beim
Fang erhöhten die Sterblichkeit nach dem Zurücksetzen signifikant.
Diese Studie zeigt, dass die meisten zurückgesetzten Plattfische in der Angelfischerei überleben
und somit dem Bestand erhalten bleiben. Um die Sterblichkeit weiter zu reduzieren, sollten Angler
die richtigen Haken wählen (Hakenbogenbreite > 13 mm), aufmerksam bei der Bisserkennung sein
und schnell anschlagen, eine lange Luftexposition vermeiden und das Zurücksetzen bei hohen
Wassertemperaturen minimieren. Ein spezieller Plattfischhakenlöser (Drehmethode) könnte die
Überlebensraten bei tief geschluckten Haken zusätzlich erhöhen. Auch die Entwicklung und
Erprobung von speziellen Haken (z.B. Haken mit Schluckbarriere oder Kreishaken) oder Systemen,
um das tiefe Verschlucken des Hakens in der Plattfischangelfischerei zu verhindern, sollte
vorangetrieben werden. Die vorliegende Studie soll dazu beitragen, eine nachhaltige Nutzung der
Plattfischbestände zu fördern und Aspekte des Fischwohls in der Angelfischerei auf Plattfische zu
verbessern.
Quelle: Dr. Marc Simon Weltersbach, Thünen Institut HRO
LINK zur kompletten Studie: https://www.thuenen.de/media/publikationen/thuenen-workingpaper/ThuenenWorkingPaper_262.pdf
Danksagung
Wir wünschen uns, dass die vorliegenden Ergebnisse nicht nur eine Grundlage für weiterführende
wissenschaftliche Untersuchungen bilden, sondern die davon abgeleiteten Empfehlungen auch in
der Praxis Anwendung finden. Die entwickelten Empfehlungen sollen Anglerinnen und Anglern
sowie den zuständigen Bewirtschaftern dabei helfen, die Plattfischangelfischerei nachhaltiger zu
gestalten.
Die Durchführung der Studie war nur durch die Mitarbeit und Unterstützung einer Vielzahl von
Akteuren möglich. Zunächst möchten wir uns ganz herzlich bei allen Anglerinnen und Anglern
bedanken, die uns bei der Datensammlung sowohl im Rahmen der Angeltagebuchstudie als auch
im Feldexperiment geholfen haben. Ein besonderer Dank geht hierbei an den
Betriebssportverband Hamburg, dessen Anglerinnen und Angler uns tatkräftig beim
Feldexperiment an Bord der MS Karoline unterstützt haben. Darüber hinaus möchten wir uns bei
Kristina Barz, Jesper Stepputtis, Tim Taege, Andreas Gebel, Frank-Michael Conrad, Anton Höper,
Anne Georgi und Tom Jankiewicz für die großartige Unterstützung bei allen praktischen Arbeiten
während des Feldexperiments bedanken. Herrn Martin Liebetanz-Vahldieck danken wir für seine
Beiträge zur Idee und zum Konzept dieser Studie. Unser Dank gilt auch der Besatzung der MS
Karoline, dem Fischereibetrieb Arne Müntz sowie der Firma Dieter Eisele Sea Fishing GmbH & Co.
KG für die gute Zusammenarbeit. Bei Annemarie Schütz möchten wir uns für die Hilfe bei der
Erstellung einiger Abbildungen bedanken.
Die Studie wurde durch Mittel aus der Fischereiabgabe des Landes Schleswig-Holstein (Projekt 304-
17/2022: „Untersuchung der Überlebensraten zurückgesetzter Plattfische und Entwicklung von
Praxisleitlinien zur Verringerung letaler und nicht-letaler Auswirkungen des Rückwurfs in der
Angelfischerei“) gefördert und durch das europäische Rahmenprogramm zur
Fischereidatenerhebung (DCF) sowie durch Mittel des Bundes kofinanziert. Die Durchführung des
im Rahmen dieser Studie durchgeführten Tierversuchs wurde gemäß den geltenden gesetzlichen
Vorgaben von der zuständigen Tierschutzbehörde in Schleswig-Holstein genehmigt (Aktenzeichen:
7-2/23). Personenbezogene Daten wurden entsprechend der geltenden Datenschutz-
Grundverordnung (DSGVO) erhoben und gespeichert und nur in anonymisierter und aggregierter
Form verwendet.
In diesem Bericht wurde nachfolgend aus Gründen der Lesbarkeit das generische Maskulinum
verwendet, dennoch beziehen sich die Angaben explizit auf Angehörige aller Geschlechter.