Mit einer Pressemitteilung am 13.12.2022 hat der Rat der Europäischen Union ein Aalfangverbot für die Angelfischerei in der Ostsee sowie den angrenzenden Brackwasserbereichen angekündigt. Der Landesanglerverband Mecklenburg-Vorpommern e.V. spricht sich vehement gegen diesen Beschluss aus. Eine dermaßen drastische Einschränkung ist weder wissenschaftlich (1) noch soziökonomisch (2) zu begründen und stellt in Bezug auf den benötigten Schutz des Aals sowie die resultierenden Managementmaßnahmen keine artenschutzfachlich sinnvolle Entscheidung dar (3).

(1) Wissenschaftliche Untersuchungen dokumentieren anhand langjähriger Datensätze, dass der Bestand des Aals in den Küstengewässern Mecklenburg-Vorpommerns eine signifikant positive Entwicklung zeigt (siehe Dorow et al. 2021 & 2023). Es gibt mehr Aale und die Altersstruktur der Tiere belegt, dass der Reproduktionserfolg des Aals in den zurückliegenden Jahren erfolgreich gestärkt werden konnte. Dies zeigen sowohl fischerei-abhängige als auch fischerei-unabhängige Studien. Zusätzlich gibt es die wissenschaftliche Einschätzung, dass der Rekrutierungsindex des ICES, welcher ausschlaggebend für die Managementempfehlungen der EU ist, nicht ausreichend die klimatischen Änderungen der vergangenen Jahre berücksichtigt. Maßgebend für das Angelverbot war alleinig der ICES Rekrutierungsindex. Ausgehend von der Europäischen Aalverordnung ist der Erfolg des Managements und damit auch der Zustand des Aalbestands anhand der jährlichen Abwanderungsrate von Blankaalen im Vergleich zu einem unbeeinflussten Zustand zu bewerten. Die EU hat im Rahmen der Europäischen Aalverordnung eine Abwanderung in Höhe von 40 % im Vergleich zum unbeeinflussten Referenzzustand als Zielvorgabe definiert. Der letzte Umsetzungsbericht aus dem Jahr 2021 beziffert die aktuelle Abwanderung auf 35 % der ursprünglichen Abwanderung. Das Einzugsgebiet Warnow/Peene, in dem wir als Verband aktiv das Aalmanagement vorantreiben, erreichte mit 79 % Abwanderung einen Wert deutlich oberhalb der Zielvorgabe. Warum wurde die Abwanderungsrate, die als Zielvorgabe durch die EU formuliert wurde, nicht als Kriterium in die aktuelle Diskussion aufgenommen? Die Abwägung neuer Maßnahmen sollte differenziert erfolgen und alle wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigen. Der Abwägungsprozess muss den Umsetzungstand in den einzelnen Managementeinheiten bzw. den verschiedenen Mitgliedsstaaten berücksichtigen. Das Fangverbot für den Aal in den Küstengewässern des Landes Mecklenburg-Vorpommern lässt sich wissenschaftlich nicht begründen. Vielmehr bestraft das aktuell angewendete Gleichbehandlungsprinzip diejenigen, die mit hohem persönlichem sowie monetärem Engagement die Vorgaben der Europäischen Aalverordnung für Mecklenburg-Vorpommern erreicht haben.

(2) Ein weiterer Kritikpunkt ist die Unterschätzung der sozioökonomischen Bedeutung des Angelns und speziell der Aalfangmöglichkeit in den Küstengewässern Mecklenburg-Vorpommerns. Explizit in Bezug auf das sozial-gesellschaftliche Miteinander sowie den Gleichbehandlungsgrundsatz lässt sich das Totalverbot für die Angler, bei gleichzeitig fortlaufender 6-monatiger Aalfangmöglichkeit für die Berufsfischerei, nicht rechtfertigen. Eine breite Bevölkerungsschicht geht der Freizeitfischerei nach und die Wertschöpfung eines geangelten Fisches ist sehr hoch. Dabei stellt das Angeln eine nachhaltige Ressourcennutzung dar und entspricht folgerichtig den Zielen der EU. Zusätzlich sind viele Arbeitsplätze in Mecklenburg-Vorpommern direkt oder indirekt von der Freizeitfischerei abhängig. Das wissenschaftlich unbegründete Aalfangverbot sehen wir in diesem Zusammenhang als eine Diskriminierung an, die nicht nur eine große Bevölkerungsgruppe frustriert, sondern diese auch für geeignete Schutzmaßnahmen verschließt.

(3) Der außergewöhnlich komplexe und aufwendige Lebenszyklus des Aals macht ihn in Bezug auf anthropogene Störung besonders anfällig. Beginnend mit den 1970er Jahren schlug sich das in einem drastischen Bestandseinbruch nieder. Folgerichtig sind Schutz- und Managementmaßnahmen zwingend notwendig, um den Fortbestand des Aals zu sichern und eine Erholung des Bestands voranzutreiben. Es ist davon auszugehen, dass der ausschlaggebende Faktor für den Bestandsrückgang die umfangreiche Querverbauung der Fließgewässer in Europa und der damit einhergehende Lebensraumverlust für den Aal ist. Folgerichtig wurden „strukturelle Maßnahmen zur Sicherung der Durchgängigkeit von Flüssen“ in das Maßnahmenpaket der EU-Aalverordnung aufgenommen. Die Sicherstellung der ökologischen Durchgängigkeit der Fließgewässer muss jedoch in Deutschland als gescheitert bezeichnet werden. Eine Änderung dieses Zustands ist auch für die Zukunft nicht abzusehen. Die einzige Maßnahme, die dem Aal eine Besiedlung seiner ursprünglichen Lebensräume in Mecklenburg-Vorpommern sichert, ist der Besatz.

Dieser Aufgabe und Verantwortung ist sich der Landesanglerverband Mecklenburg-Vorpommern e.V. als gesetzlich anerkannter Naturschutzverband bewusst und betreibt daher seit den frühen 1990er Jahren ein aufwendiges Besatzprogramm mit einem Gesamtvolumen von über 2.000.000 €. Das Aalfangverbot in der Ostsee und den Brackwassergebieten konterkariert diese Bemühungen, zumal die wissenschaftlich dokumentierte Bestandserholung in den zurückliegenden Jahren den Erfolg dieser Schutz- und Managementmaßnahmen dokumentiert. Dies ist in Bezug auf eine vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft angestrebten Ausweitung des Aalfangverbots auf die Binnengewässer von entscheidender Bedeutung. Sollten die Angler vom Fang ausgeschlossen werden, verliert der Aal seinen wichtigsten Förderer in Mecklenburg-Vorpommern. Ohne eine Nutzung des Aalbestandes wird es keine Besatzmaßnahmen durch den Landesanglerverband Mecklenburg-Vorpommern e.V. geben. Um den Aal für die Freizeitfischerei zu erhalten und den Bestand zusätzlich zu schützen, wäre aus unserer Sicht ein vernünftiger Vorschlag, ein Baglimit auf 3 Aale je Angler je Tag festzusetzen.

Bernd Dickau, Präsident

LINK zur EU-Verordnung: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32023R0194